Summary: | Erzählungen führen in der Wissenschaft eine Art Doppelleben. Zum einen zeigen sie den Reichtum wissenschaftlicher Gegenstände, zum anderen wird ihre Bedeutung im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess gerne relativiert, um den selbst gesetzten Anspruch auf methodisch gesichertes Wissen zu untermauern. Seinen verdichteten Ausdruck fand dies in der Debatte um die »zwei Kulturen« (C. P. Snow), der kontrastierenden Gegenüberstellung von science und literature. Gegenwärtig hat das Sprechen über Erzählungen, Geschichten, stories, Narrative und Narration mit Bezug auf fiktionale wie nicht-fiktionale Bereiche Konjunktur. Dennoch ist das Problem des Zusammenhangs erzählerischer und methodischer Verfahren in der Wissensproduktion noch längst nicht gelöst. Hier setzt der in diesem Buch vorgeschlagene Blick auf das Zusammenwirken von Erzählung und Geltung an, das die Frage nach der Rolle und Bedeutung von Erzählungen in verschiedenen epistemischen Kulturen aufwirft. Erzählungen bilden ein wichtiges Movens der Entfaltung von Wissenschaft, sie verbinden vor allem die Herstellungs- und Zuschreibungsebenen von Wissen (qua Autorschaft) mit dem Geltungsbereich des Wissens (qua Autorität).Der vorliegende Band ist als Diskussionsforum angelegt, das Erzähl- und Wissenschaftsforschung miteinander ins Gespräch bringt. Die zu Wort kommenden Stimmen streiten oder stimmen überein, wobei sich ebenso unvermutete Verknüpfungen wie Widersprüche ergeben, wenn es beispielsweise um Gottesteilchen, Gutachten, Grüne Nanotechnologien, den Nordpol, die Funde von Atapuerca oder auch das Magazin für Erfahrungsseelenkunde geht.So hat das Buch zum Ziel, in diesem ersten Zugriff aus den ursprünglich disziplinären Perspektiven der Wissenschaftsgeschichte und -soziologie, der Literatur- und Sprachwissenschaft analytische Werkzeuge zu entwickeln, die auch für einen weiteren interdisziplinären Gebrauch handhabbar sind.
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